Die meisten Zeitungen und Zeitschriften erhöhen per 2016 ihre Anzeigentarife nicht. Sie senken die Seitenpreise aber auch nicht, obwohl einige deutlich Leser verloren haben. Das kommt auf der Ebene Tausendleserpreis einer Tariferhöhung gleich. Die Hälfte aller Titel nehmen eine solche vor, womit sich das Medium Print massiv verteuert – erst recht im längerfristigen Vergleich.
«En Suisse la presse est encore le média le plus utilisé. Mais un tournant s’annonce en raison de la baisse du nombre de lecteurs et de la stagnation simultanée des tarifs des annonces.» Diese mahnenden Worte stammen von Mark N. Backé, Leiter Marketing bei BMW (Schweiz) AG. Er machte diese Aussage in der dritten Ausgabe der «Printzeitung» («Journal Print»), ein Blatt, das der Verband Schweizer Medien seit einem Jahr im Rahmen der Kampagne «Print wirkt» herausgibt und in dem er die Vorzüge von Inseraten anpreist.
Verleger foutieren sich um Backé
Die «Print Zeitung» richtet sich in erster Linie an Werbeauftraggeber und Mediaplaner. Wohl deshalb haben sich die Verleger Backés Aussage kaum zu Herzen genommen. Anders lässt es sich jedenfalls nicht erklären, dass sie genau das tun, wovor Backé warnt: Gemäss einer ComInmag-Umfrage bei 163 Zeitungen und Zeitschriften belassen die meisten Verleger die Anzeigenpreise für 2016 auf bisherigem Niveau, obwohl vielerorts die Leserzahlen teils kräftig gesunken sind. Nur sechs Titel senken ihre Seitenpreise, 19 heben sie sogar an.
Besonders ein Titel fällt auf: Haus&Garten von Kimedia erhöht den Seitenpreis um satte 184%. Das hat allerdings mit einem Konzeptwechsel zu tun. Das Monatsheft verliert seine Eigenständigkeit und erscheint ab 2016 nur noch viermal jährlich – als Beilage des K-Tipp. Damit steigt die Auflage um das 24fache auf 250’000 Exemplare – entsprechend wird auch der Seitenpreis demjenigen des K-Tipp angeglichen.
Auch bei der Schweizer Landliebe, die signifikante 12% mehr Leser gewonnen hat, ist die Erhöhung des Tarifs um 7% gerechtfertigt. Bei den übrigen Titeln, darunter die NZZ und NZZ am Sonntag, das Journal du Jura und das Bieler Tagblatt, ist die Preiserhöhung aus Brackés Sicht eher nicht nachvollziehbar.
Versteckte Tariferhöhungen sind häufig
Viel häufiger als diese offensichtlichen Preiserhöhungen sind aber die versteckten: So hebt der Anzeiger Region Bern seinen Preis um bloss 1% an und erscheint somit als moderat, doch er tut dies trotz eines Leserverlust von 11%.
Andere Titel senken zwar den Tarif – aber weniger, als angemessen wäre. So verlangt Bilan im 2016 10% weniger, die Reichweite aber sank um 20%. Auch Lausanne Cités reduziert den Preis um 9% bei 14% Leserverlust. Es gibt aber auch andere Beispiele: Der Stadtanzeiger Olten wird um 23% billiger, obwohl er punkto Leser stabil blieb. Und der Anzeiger St. Gallen reduziert den Seitenpreis um 38%, obwohl er 3% mehr Leser hat.
Damit sind wir beim Tausendleserpreis (TLP). 76 Titel, also fast die Hälfte, weisen neu einen höheren TLP auf als bisher, bei 24 von ihnen bleibt die Erhöhung aber moderat (bis maximal 3%). Absoluter Spitzenreiter ist das deutschsprachige Bolero: Sein TLP nahm innert Jahresfrist um 53% zu! Denn die Reichweite des Luxustitels ist signifikant gesunken, am Seitenpreis ändert Ringier aber trotzdem nichts. Mit grossem Abstand folgen dann der Kulturtipp (+20%), die französischsprachigen Ausgaben von Readers Digest und Bolero (Ex-Edelweiss) und der Walliser Bote (je +19%) sowie SI Style (+18%). Ebenfalls einen starken TLP-Anstieg weisen Film demnächst, (+16%), GHI und Berner Bär (je +15%), Thurgauer Zeitung, Reader’s Digest (d) und Anzeiger Region Bern (je +14%), La Côte (+12%) sowie Avant Première, Annabelle, Saisonküche (d) und SonntagsBlick (je +11%) auf.
Es gibt aber auch eine Reihe Titel, die sich ganz nach Backés Gousteau verhalten: Der bereits erwähnte Anzeiger St. Gallen senkt seinen TLP um 40%, beim Regio.ch aus dem Zürcher Oberland liegt er um 25% tiefer, beim Stadtanzeiger Olten sinkt er um 23%, bei der Tessiner Ausgabe der Saisonküche um 16%, bei der Handelszeitung um 14% und bei den Freiburger Nachrichten um 11%.
Langfristig ein Bärendienst für das Medium Print
Interessanter als die kurzfristige ist jedoch die längerfristige TLP-Entwicklung – und die hatte wohl Backé in der «Printzeitung» auch angesprochen. Hier zeigt sich die Situation wie folgt: Bei 67 Titel hat der Seitenpreis seit 2008, dem Jahr vor der Finanzkrise, aufgeschlagen – teils um über 100%. Doch das sind Ausnahmen wie 20 minutes oder Blick am Abend, Titel die damals neu lanciert worden waren und den Seitenpreis mit zunehmender Reichweite erhöhten. Stark verteuert hat sich auch das St. Galler Tagblatt (+47%), was aber mit der Integration zusätzlicher Titel und einer damit verbundenen Auflagensteigerung zu tun hat. So gesehen sind die Veränderungen der Seitenpreise mit Vorsicht zu geniessen (gilt auch für Senkungen). Aussagekräftiger ist der Vergleich auf der Ebene TLP, denn dieser zeigt, wie viel ein Verlag für seinen Service verlangt, 1000 Personen für die Werbewirtschaft zu erreichen – damals und heute. Aus der Umfrage geht nun hervor: 78 Titel weisen heute einen höheren TLP auf als 2008, teilweise massiv höher. Bei Bolero (d) kosten neu 1000 Leser 275% mehr als vor acht Jahren, bei Blick am Abend 113% mehr und bei Bilan schlug sie um 103% auf. Backé dürfte sich die Haare rauffen! Ebenfalls stark angestiegen ist der TLP von NZZ Folio (+97%), Bolero (f) (+91%), Bilanz (+85%), Kulturtipp (+80%), GuideTV (+77%) sowie von Weltwoche (+69%), Reader’s Digest (f) (+68%) und Basler Zeitung (+63%). Gründe für diese massiven Aufschläge gaben die Verlage nicht an. Sie dürften damit die «Print wirkt»-Kampagne aber torpedieren.
Zwar gab es auch deutliche TLP-Senkungen, allerdings seltener und weniger ausgeprägt: An der Spitze steht hier der Anzeiger St. Gallen (-76%) gefolgt von K-Geld (-53%), SI Style (-38%), Annabelle und TV täglich (je -36%) sowie dem Kombi Duo (L’Express + L’Impartial), das seinen TLP seit 2008 um 33% reduzierte. Zwölf Titel schätzen den Wert ihrer Leistung übrigens gleich hoch ein wie 2008, weicht doch ihr heutiger TLP maximal +/-3% von jenem im 2008 ab.
Einige Tarif-Spezialitäten
• Den höchsten hier ausgewiesenen TLP 2016 hat wiederum La Côte mit 331.47 Franken, jedoch neuerdings dicht gefolgt von Bolero (d) mit 330.31 Franken.
• Den tiefsten ausgewiesenen TLP weisen erneut grosse Gratis-Zeitschriften auf: War letztes Jahr noch die Coop-Presse am günstigsten, ist es neu das Migros-Magazin KoMMBi (d+f) mit 12.60 Franken, gefolgt vom Migros Magazin (d) mit 13.02 Franken und dem Migros-Kombinazione (d,f,i) mit 13.87 Franken. Auf Platz vier befindet sich dann die CoopZeitung (d) mit 14.29 Franken.[/ASIDE]