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Cinecom gab auf – trotz 60 Prozent Marktanteil

Zahlen, die Cominmag exklusiv vorliegen, zeigen: Obwohl Publicitas Cinecom noch immer mit 60% Marktanteil im Kinogeschäft unterwegs war und in der Deutschschweiz sogar leicht zulegen konnte, strich sie die Segel. Die neue Mach Cinema zeigt aber auch: Im letzten Jahr gingen die Besucherzahlen in Schweizer Kinos weiter zurück. 2015 steigen sie aber offenbar wieder.

Schneller als erwartet hat Publicitas ihr Kinogeschäft aufgegeben. Rund drei Jahre nach dem Markteintritt der deutschen Kinovermarkterin Werbeweischer wirft die ehemalige Monopolistin die Flinte ins Korn. Vor elf Jahren hatte der Printvermarkter und -vermittler die Cinecom übernommen und damit im Grunde seine «Allmedia-Strategie» lanciert. Mit letzterer ist nun definitiv Schluss (siehe auch Interview in der Ausgabe Juli 2015). In ihrem Communiqué zum Verkauf von Cinecom bezeichnete Publicitas die Bereiche Print und Online nun als ihr Kerngeschäft. Wörtlich wurde der Ausstieg aus dem Kinogeschäft wie folgt begründet: «La complexité due à la numérisation en cours dans l’activité cinématographique ainsi que l’augmentation de la pression sur les marges ont motivé la décision de se séparer de l’activité cinéma. Comparée aux branches Print et Online, les deux piliers de Publicitas, l’activité cinéma n’offrait que peu de synergies et donc aucun effet évolutif au niveau de l’entreprise.»
Was aber ebenfalls zum raschen Verkauf geführt haben dürfte: Anfangs Jahr hatte der zweitgrösste Schweizer Kinobetreiber Pathé öffentlich gemacht, dass er ab 2018 (!) eine Partnerschaft mit Werbeweischer eingehen werde. Dieser frühzeitig angekündigte Seitensprung brach Cinecom letztlich das Genick und setzte Publicitas unter Druck. Dazu will sich aber Publicitas-CEO Christoph Marty gegenüber Cominmag nicht äussern.

Je nach Region sogar mehr Marktanteile
Doch zu den Marktanteilen im Detail: Die Mach Cinema 2014, deren Erhebung im April 2014 beendet war, wies der Cinecom gesamtschweizerisch einen Marktanteil von 67% aus. Diese Zahl war aber schon zum Zeitpunkt der Publikation überholt, da im Laufe von 2014 neue (Gross-)Kinos eröffnet wurden, deren Einfluss noch nicht in der Studie enthalten waren. Deshalb stellte Cinecom eigene Hochrechnungen an und kam per 2015 auf den wahrscheinlicheren Marktanteil von 61%, was sie fairerweise auch auf der eigenen Website publizierte.
Noch mehr Klarheit hatte man nun von der Mach Cinema 2015 erwartet. Doch nach dem Verkauf von Cinecom an Werbeweischer im September wurde die Wemf angewiesen, bloss eine bereinigte Studie zu publizieren, in der alle Kinos kurzerhand als Werbeweischer-Kinos ausgewiesen sind. Marktanteile sind damit nicht mehr ersichtlich. «Uns war es nach der Übernahme wichtig, dass die aktuelle Veröffentlichung direkt die neue Situation abbildet, da diese wieder ein komplettes Jahr im Einsatz ist», schreibt dazu Nils Schilling, Managing Director von Werbeweischer Schweiz. Dennoch war er auf Anfrage bereit, Cominmag die ursprünglichen Werte nach Vermarkter auszuhändigen. Doch Vorsicht: Die Erhebungsperiode der Mach Cinema 2015 dauerte von April 2014 bis April 2015, die Studie gibt also den Stand vom Frühjahr 2015 wider.
Demnach kam Cinecom bis dahin schweizweit auf einen Marktanteil von 60%; 50% in der Deutsch- und 80% in der Westschweiz. Das Tessin verblieb ganz bei Cinecom. Gegenüber der Vorgängerstudie am meisten Marktanteile verloren hat Cinecom in Lausanne, wo sie von 100% (2014) auf 78% (2015) zurück fiel. In der Deutschschweiz blieben die Verhältnisse relativ stabil, in Zürich, Bern und Luzern vermochte Cinecom sogar um bis zu 7% zuzulegen. Kurz: Allzu schlecht stand es nicht um Cinecom, auch wenn nun in der Romandie ein weiterer Verlust anstand: Die ObscurSion SA mit vier Sälen und 722 Sitzplätzen in der Walliser Kantonshauptstadt wollte per 2016 zu Werbeweischer wechseln.

Unter 11 Millionen Besucher
Zurück zur Besucherstatistik der Wemf: Egal, wer nun die Kinos vermarktet, eine Kröte muss die Branche schlucken. Gemäss der neuen Mach Cinema gingen die Kinobesuche erneut zurück, zum zweiten Mal in Folge. Wurden in der Periode 2012/ 13 schweizweit 11.7 Millionen Kinobesucherinnen und -besucher ab 14 Jahren gezählt, waren es 2014/15 noch 10.97 Millionen (-3%), wobei die Zahlen je nach Woche und Filmangebot zwischen 78’000 und 380’000 Personen schwankten. Das Medium Kino erreicht derzeit in der Schweiz noch 3.4% der Schweizer Bevölkerung. Den grössten Rückgang mit minus 25% gegenüber Vorjahr mussten die Kinos in Lugano hinnehmen, gefolgt von -7% in Luzern und -5% in Genf. Im Zweijahresvergleich verloren nach Lugano (-25%) vor allem Basel (-14%) und St. Gallen/Schaffhausen (-13%), erst danach folgen Genf (-10%) und Zürich (-9%).
Auf diese Entwicklung angesprochen versucht Nils Schilling zu relativieren. «Nach Rückgängen in den Jahren 2013 und 2014 werden wir im 2015 wieder wachsen» – dank interessanterem Filmangebot. Bis zur Jahresmitte seien über 10% mehr Besucher gegenüber Vorjahr gezählt worden, schreibt er. «Nun ist entscheidend, wie der neue Bond, Star Wars und Co. laufen werden.»

[ASIDE]

Daten aus zwei Quellen

Die Kinoforschung MACH Cinema beruht nicht nur auf den Befragungen der Wemf, sondern auch auf der Billettverkaufsstatistik von ProCinema, dem Verband der kommerziell orientierten Kinos und Filmverleiher. Die Statistik von ProCinema liefert das Niveau und damit die Sollwerte für die Anzahl Kinobesuche. Und die Befragung im Rahmen der MACH Basic steuert Angaben zu Geschlecht, Alter, Anzahl Kinobesuche pro Person, zur Besuchshäufigkeit und zum Kinoort bei.[/ASIDE]

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