Die WEMF überprüft neuerdings auch Online- und Verkehrsmittelwerbung
Die WEMF, die sich bisher primär mit der Erhebung und Beglaubigung von Nutzer- und Auflagenzahlen von Pressetiteln befasste, will ihr Produktangebot ausweiten: Bald zertifiziert sie auch Softewaren, mit denen Mediaagenturen die Sichtbarkeit und korrekte Platzierung der Onlinewerbung überwachen. Zudem kontrolliert sie neu Werbescreens in öffentlichen Verkehrsmitteln. ComInmag sprach mit WEMF-Geschäftsführer Marco Bernasconi und Roland Achermann, Bereichsleiter Auflagebeglaubigung, über die neuen Audit-Angebote.
Die WEMF kündigte an, dass sie im Bereich Online-Tracking aktiv wird. Weshalb?
Roland Achermann: Eine schlechte Platzierung von Onlinewerbung kostet Unternehmen Reputation und Werbewirkung. Die Schnelllebigkeit und die Weitläufigkeit des Internets machen eine Kontrolle aber schwierig – mit dem Einzug des Programmatic Trading erst recht. Mit ihrem Angebot «Viewability» und «Brand Safety» reagiert die WEMF auf diese Herausforderungen – zwei Themen, die auch für den Schweizerischen Werbeauftraggeberverband SWA/ASA von grosser Dringlichkeit sind.
Marco Bernasconi: Dieser Ausbau ist nicht nur in unserer Strategie so vorgesehen, sondern entspricht auch einem internationalen Trend: Dem liegt die Idee zugrunde, dass eine Unit, die Kompetenzen für Presse-Audits hat, auch ganz andere Bereiche zertifizieren kann. Die klassische Auflagenbeglaubigung weitet sich also aus zu einer Beglaubigung unterschiedlichster Mediengattungen und –formen. Deshalb benennt sich in Kürze sogar die IFABC, der internationale Verband der Auflagenbeglaubiger, von International Federation of Audit Bureaux of Circulations in International Federation of Audit Bureaux of Certification um.
Worum geht es denn bei «Brand safety ?
MB: Wenn zum Beispiel der Wäschehersteller Triumph, ein Premiumlabel, Onlinewerbung schaltet, hat er kein Interesse, dass sein Banner auf einer Pornoseite erscheint. Doch das Programmatic Trading läuft so schnell ab, dass es für die Mediaagenturen schwierig ist, die exakte Platzierung im Griff zu behalten: Schwups – schon erscheint der Banner in einem falschen Umfeld. Doch es gibt Softwaren, die dies überprüfen können. Sie kontrollieren, wo die Werbung geschaltet wurde und zeigen dies an, so dass man die Platzierung sofort korrigieren kann. Wenn nun eine Agentur eine solche Software einsetzt, kann sie sie von der WEMF zertifizieren lassen. Damit weiss dann der Werbeauftraggeber, dass seine Agentur mit einer zertifizierten Software arbeitet.
Nun gibt es aber mehrere solcher Softwaren auf dem Markt – und jede misst ein wenig anders.
MB : Richtig. In Grossbritannien wurden diese Softwaren deshalb vom nationalen Audit-Verband ABC UK für hundert tausende von Franken Softwaren mit Prüfsystemen analysiert und für jede Einzelne ein Prüfprofil erstellt. Dieses zeigt im Detail auf, was genau und wie gemessen wird. Das will die WEMF nun auch für die Schweiz tun, indem wir die Prüfalgorithmen der ABC UK übernehmen. Damit
erhalten die Werbeauftraggeber einen Überblick und können mit den Zahlen, die ihnen die Agenturen liefern, auch etwas anfangen bzw. die Leistungswerte vergleichen. Und sie verstehen, weshalb die eine Software höhere Werte ausweist als die andere.
Und worum geht es beim Thema «Viewability».
RA: Dabei geht es um die Sichtbarkeit der platzierten Internetwerbung auf den unterschiedlichen Screens. Denn auch wenn ein Banner auf einer richtigen Site steht, heisst das nicht, dass er auch auf dem Bildschirm sichtbar ist. Je nach Screengrösse muss man erst scrollen, damit man ihn sieht. Zwar kann auch die Viewability durch Softwaren gemessen werden – und es gibt auch Standards, die regeln, ab wann ein Banner als sichtbar gilt. Aber diese Standards werden von der Branche dauernd geändert, was die Sache unübersichtlich macht. Deshalb braucht es auch in diesem Fall einen Testkatalog für Softwaren und eine entsprechende Zertifizierung. Diese wird die WEMF ebenfalls übernehmen.
Sehen Sie noch andere Bereiche, in denen die WEMF als Zertifizierstelle aktiv werden könnte.
MB: Zahlreiche. Ein ganz grosser Bereich sind Events – auch international ein grosses Thema. Denn man schätzt, dass etwa
15% der Marketingausgaben ins Event-Sponsoring fliessen. Heute zählt aber jeder Veranstalter seine Besucher selbst. Denkbar ist das Angebot einer unabhängigen Kontrolle – aufgrund der verkauften oder der verschenkten Tickets, Zudem könnte man auch die Sichtbarkeit der Werbung in Stadien oder an Bühnen nach klar definierten Richtlinien bewerten. Doch es kann noch weiter gehen:
Wenn eine Firma eine VIP-Lounch mietet, will sie wissen, ob die Toiletten immer sauber waren und wie lange man anstehen musste, um zu einem Cüppli zu kommen etc.
RA: Schliesslich denken wir auch an Auditfunktionen bei anderen Medien.
Welche dieser Möglichkeiten sind für die WEMF am konkretesten ?
MB: Wir haben soeben einen Vertrag mit einem Anbieter von digitaler Display-Werbung in öffentlichen Verkehrsmitteln abgeschlossen. Da geht es um die Zertifizierung der Anzahl (aktiver) Monitoren im Umlauf und der Anzahl Benutzer des jeweiligen ÖV-Angebots.
RA: Und im 2016 starten wir wie gesagt die Zertifizierung der Kontrollsoftwaren für Viewability und Brand Safety.
Woher haben Agenturen, Auftraggeber und Softwarehersteller die Garantie, dass die WEMF die Softwaren «richtig» listen kann ?
RA: Wir arbeiten in diesem Bereich eng mit ABC UK zusammen. Sie stellen die Prüfalgorithmen für die international verfügbaren Softwaren zur Verfügung. Wir werden die Prüfverfahren in Lizenz in der Schweiz anbieten.
Wer bezahlt für die Zertifizierung: Die Softwarehersteller oder die Agenturen ?
RA: In UK bezahlen die Software-Anbieter im Land für die Testergebnisse (Zertifikate). Wie wir es in der Schweiz handhaben werden, wird in den nächsten Monaten entwickelt und mit dem Markt abgestimmt.
Bei der Auflagenbeglaubigung arbeitet die WEMF teilweise mit externen Controllingfirmen zusammen. Ist das in den neuen Bereichen auch so?
MB: Für den geplanten Ausbau der Aktivitäten in den nächsten zwei bis drei Jahren benötigen wir keine externen Prüfgesellschaften. Es kann aber sein, dass wir je nach Aufwand und Marktresonanz intern Ressourcen aufbauen müssen.